Gedichte

Die Uhr

Sie möge ticken, gongen und schlagen,
noch viele Stunden, an guten und an schweren Tagen.
Sie ist ein Wegbegleiter, an den man sich gerne gewöhnt,
und der den Alltag liebevoll verschönt.
Sie gibt den Takt an wie eh und je,
denn dafür sorgt der nimmermüde Balancier.
Sie ist eine Mahnung an die Vergänglichkeit der Zeit,
doch wer die heiteren Stunden nur zählt,
für den ist der Weg noch weit.
Ganz gleich, was auch die Welt bewegt,
Gott allein weiß, wem die Stunde schlägt.

Elisabeth Weller-Friedel, 1925 – 1999
Verfasst zur Eröffnung des Saarländischen Uhrenmuseums am 6. November 1992

Zwei Menschen auf dem Kardinal-Maurer-Platz

Ein Mensch sieht am Platze eine Sonnenuhr
im ovalen Rund und fragt sich selbst: „Wozu denn nur?“
Ein andrer Mensch bleibt staunend stehn
und überlegt im Weitergehn:
Wieso, warum misst man die Stund‘
mit Menschenschatten im ovalen Rund?
Sonst steht der Zeiger fest und schief,
was er nun sah, bewegte ihn tief!
Hier muss der Schattenspender wandern
von einem Datum zu dem andern!
Das fand er lustig
und blieb doch stutzig:
Er wurde kundig von der Ur-„Uhr“-Ahnen Wissen,
der andere lernte nichts, tat’s aber nicht vermissen!

Vinzenz Philippi im Mai MIIM

Die Kuckucksuhr!

Als Kraut noch lernte, wiederfuhr
ihm, was mit einer Kuckucksuhr,
die, er vermocht’s nicht zu begreifen,
sich ernsthaft weigerte zu pfeifen.

Er bog die Hebel bis er ächzte,
indessen doch, das Ding es krächzte,
ein Blöken wars, ein Quietschen nur,
kein Kuckucksruf wie in Natur.

Dem guten Kraut, dem wurde heiß,
in Strömen floss an ihm der Schweiß,
er wurde blass, er wurde rot,
er fluchte das was Gott verbot.

Was diesen Kuckuck ohnegleichen,
in keiner Weise konnt erweichen.
Vertauscht die Pfeifen, links mit rechte,
der Vogel tut nicht wie er möchte.

Der Kuckuck, dieser alte Knabe,
gibt Töne von sich wie ein Rabe,
ja er vergisst sogar das Wippen
und er bewegt auch nicht die Lippen.

Zu guter Letzt in seinem Zorn,
holt Kraut ihn aus dem Türchen vorn
und hat das Vieh, das ihn vernichtet,
nach Todesurteil hingerichtet.

Aus „Der Uhrmacher unter dem Werktisch“, Gedichte von Balduin

Wie Honig

Text und Musik Reinhard Fendrich aus dem Album „SCHWARZODERWEISS“

ALS KIND BESTEHT DIE ZEIT FÜR DICH
NUR AUS TAG UND NACHT
EIN AUGENBLICK KANN ENDLOS SEIN
WENN ER DIR TRÄUME MACHT.

DU FORMST DEINE GEDANKEN
DIE WELT WIRD GROSS UND WEIT
DAS LEBEN DAS DU VOR DIR HAST
IST EINE EWIGKEIT.

DANN LEHRT MAN DICH DIE STUNDEN,
DIE ZEIGER EINER UHR
DIE ORDNUNG UND DIE PÜNKTLICHKEIT
DIE REGELN DER NATUR

ERST WAR DIE ZEIT DEIN BESTER FREUND
BALD RUFT SIE DICH ZUR PFLICHT
SIE LÄUFT FÜR ALLE IMMER GLEICH
GEFÜHLT TUT SIE ES NICHT.

WIE HONIG RINNT DIE ZEIT
LANGSAM UND SÜSS
IN DER KINDHEIT
DOCH DANN RAST SIE DAHIN
GEHT DIR GANZ AUS DEM SINN
GEGEN ENDE WIRD ZEIT
ERST ZUR KOSTBARKEIT

DIE TAGE LERNTEN FLIEGEN
DU LEBST NACH DEINER UHR
OFT WILLST DU INNEHALTEN
DIE ZEIGER BLEIBEN STUR

DIE ZEIT KENNT KEINE GNADE
WIRD SIE ERST EINMAL KNAPP
VERLIERT DIE MACHT ERST ÜBER DICH
LIEGST DU IN DEINEM GRAB

WIE HONIG RINNT DIE ZEIT
LANGSAM UND SÜSS
IN DER KINDHEIT
DOCH DANN RAST SIE DAHIN
GEHT DIR GANZ AUS DEM SINN
GEGEN ENDE WIRD ZEIT
ERST ZUR KOSTBARKEIT

DIE ZEIT IST EIGEN,
MAN KANN SIE NIEMALS TEILEN
DENN SIE VERSTREICHT FÜR DICH ALLEIN
SOLANG WIR HIER AUF DIESER ERDE WEILEN
WIRD SIE FÜR UNS DAS RICHTMASS SEIN.

WIE HONIG RINNT DIE ZEIT
IST MAN JUNG UND VERLIEBT
UND DER SOMMER NICHT WEIT
DIE ZEIT WIRD GERN STÜRMISCH
OFT AUCH BITTER UND SCHWER
WER DIE ZEIT NUR VERTREIBT
RENNT IHR BALD HINTERHER

WIE HONIG RINNT DIE ZEIT
WAR DEIN LEBEN ERFÜLLT
UND DIE REISE WEIT
WER SICH MIT IHR VERSÖHNT
UND NICHT GEGEN SIE STRÄUBT
WIE HONIG
IST DIE ZEIT DIE BLEIBT
WIE HONIG
IST DIE ZEIT DIE BLEIBT

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